Donnerstag, 31. Dezember 2015

Höllenritt #1


Herausgeber: Fanclub "Höllenreiter"
Erscheinungsdatum: Juni 2015
Seiten: 120
Preis:3,50 €

Neues aus dem Hause Chemie Leipzig. Der BSG-Fanclub "Höllenreiter" schickt die Erstausgabe namens "Höllenritt" auf den Markt. 120 Seiten im schwarz-weißen Modus, farbiger Umschlag, vier Autoren.

Und inhaltlich? Naja. Prinzipiell find ich es ja durchaus mal erfrischend, nicht die klassische Ultra-Schreibe serviert zu bekommen, doch beim Höllenritt war ich dermaßen schnell ermattet von der informations- und weitestgehend auch witzlosen Schreibe, dass ich oft froh war, wenn sich die Spielberichte aus und um Leipzig nicht über mehr als fünf Zeilen zogen. Knackig-kurze Spielberichte können gut sein, aber in dieser Kürze nochmal das wiederzukauen, was in der Spielüberschrift steht, ist entweder mangelnder Leidenschaft oder Kreativität geschuldet. Schade.

Erstlingswerken gebe ich immer einen gewissen Anfängerbonus, doch der ist spätestens dann aufgebraucht, wenn eine Tour zu Everton gegen Wolfsburg als das „riesengroße Abenteuer“ angepriesen wird. Die Euphorie für Länderpunkte in allen Ehren, aber eine Fährfahrt nach Hull und ein Besuch im durchaus schönen Goddison Park [sic!] ist zwar ganz nett, aber mehr auch nicht. Fraglich, warum der Ausritt des VfL Wolfsburg (die Partien der Niedersachsen sind aufgrund des Exil-Lebens von einem der Schreiber mit zahlreichen Berichten vertreten) zu Sporting Lissabon nur vergleichsweise kurz abgehandelt wird. Allgemein sind die Texte mehr aufs Spielgeschehen bezogen, was typisch für Fanclub-Fanzines ist – auf Fan- und Ultra-Aktivitäten wird wirklich nur minimal eingegangen – Ausnahmen bestätigen die Regel. Darauf wird bereits im Vorwort hingewiesen, aber in den unzähligen BSG-Chemie-Berichten die Diablos kein einziges Mal zu erwähnen, ist schon ne Kunst.

Für mich auch unverständlich, wieso der FC International Leipzig in einem Atemzug mit RB Leipzig fällt, obwohl man doch eigentlich den Aufbau und die Hintergründe des neuen Vereins beleuchtet. Ich bin ehrlich: Mehr als ein paar geile, neue Reiseziele in Sachsen (Döbeln und Dittersbach etwa, aber auch die Erinnerung, endlich mal MoGoNo zu besuchen) hatte die Erstausgabe für mich keinen informellen oder unterhaltsamen Mehrwert.

STS

Dienstag, 10. November 2015

Republikflucht #5


Herausgeber: Einzelpersonen (Frankfurt/Oder)
Erscheinungsdatum: Januar 2015
Seiten: 140
Preis: 5 €

Fragt mich nicht, wieso ich erst jetzt auf dieses Heft gestoßen bin. Eigentlich spricht vieles dafür, die Republikflucht schon längst eher in den Händen zu halten als erst Mitte August 2015 – immerhin die fünfte Ausgabe schon.
Die optische Aufmachung mit aussagekräftigen, starken Hochglanzbildern erinnert stark an den "Grenzgänger" - mit dem feinen Unterschied, dass die Herrschaften der RF ne deutlich knackigere Schreibe haben als damals Marco, TaliJan und Christian - und auch mal in exotischere Gefilde reisen. Als Beispiel sei kurz die Passage aus dem Dickicht des costaricanischen Dschungels genannt: "Eine Kokosnuss, die sich trotz mehrminütigen Kampfes einfach nicht öffnen lässt, wird aggressiv gegen Bäume bugsiert, als sei dort eine Bullenwache beheimatet" - haha, schön! 

Muss zugeben, dass ich das nicht erwartet habe, aber die hauen echt einen locker-flockigen Schreibstil nach Berlin-Brandenburger Mundart raus, wenngleich ich längst nicht alle Ansichten teile. Seit dem letzten "Pseudokibicow" hab ich zudem nicht mehr solch Expertenwissen aus dem östlichen Nachbarland serviert bekommen. Da zahlt sich die geographische Nähe zu Polen sehr aus und die Protagonisten wissen dies zu nutzen, wenn man zur Mittagsstunde in der heimischen Bude noch überlegen kann, in welchem schlesischen Kaff am Abend die Stiernacken begutachtet werden sollen.

Neben dem Frönen des Gewalttourismus in Bella Polska werden aber vor allem auch Ziele auf dem Balkan, Athen in einem Rutsch per Auto, Italien und eben auch Mittelamerika (Costa Rica, Nicaragua, Honduras) angesteuert, womit abwechslungsreiche Tourberichte garantiert werden. FFO und CB? Hitlern die nicht in jedem Bericht ab? Nee, nicht wirklich – wäre auch zu plump. Nichtsdestotrotz ist die Nähe zum Inferno Cottbus unter anderem an den Grüßen im Heft unverkennbar, aber auch andere Kleinigkeiten attestieren den Schreibern, dass man mit Nazis zumindest nicht das allergrößte Problem hat. So werden Reichskriegsflaggen bei Lazio oder Varese unkritisch oder neutral bewertet. Soll jetzt nicht höher gehangen werden als nötig, aber fiel mir schon auf. Gleichwohl ein Heft mit Potential, irgendwann zu 'nem Evergreen unter den Hoppingzines in Deutschland zu werden.

STS

Freitag, 30. Oktober 2015

Unterwegs #10 a&b

Herausgeber: Josef Gruber
Erscheinungsdatum: Dezember 2014
Seiten: 104
Preis: 4,20 € (Doppelausgabe), sonst 3 €


Er hat zu jedem besuchten Spiel, jeder Gruppe und jeder Zaunfahne  eine eigene kleine Geschichte auf Lager. Josef Gruber, Rapidler, Herausgeber des Fanzines Unterwegs und des Bildbandes „Ultras Italien“. Bei einer Besprechung eines seiner Werke, weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Inhaltlich sind sie bis an den zum Rand gefüllt mit Informationen. Die aktuelle Doppelausgabe #10 ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Interviews mit OberL (Beziehungskiste) und der Brigade Sopron (Ungarn) sind da nur der Anfang. Zahlreiche Spielbesuche lockern die zum Teil langen Texte auf. Gruber versteht es aber zum einen in einfachen Worten das Gesehene auf den Punkt zu bringen, schweift in anderen Artikeln aber auch gerne einmal ab.

Ein Beispiel dafür ist der Bericht zum Europapokal-Spiel zwischen Slovan Bratislava und SSC Napoli. Mit Liebe zum Detail gibt er den Tag der Neapolitaner wieder. Beschreibt den Stadtrundgang der Süditaliener, als wäre er selbst mittendrin gewesen. Wundern würde es  mich nicht, wenn es auch so gewesen wäre, denn Gruber erinnert sich: „Jeder stilecht mit einem kurzen Fahnenstock bewaffnet, welche man lustigerweise später im Stadion kein einziges Mal sah…“ In vielen anderen Heften wäre zu Lesen gewesen: „Napoli flaggte gut an“. Gruber hingegen nimmt jeden einzelnen Fetzen auseinander, ordnet ihn den Gruppen zu und gibt zum Teil noch Auskunft, wann das Stück Stoff zum ersten Mal hing. Sowas muss man mögen. Meinen Geschmack trifft der alte Fußballromantiker mit solchen Geschichten definitiv.

I-Tüpfelchen mit Sicherheit ein neunseitiger Exkurs zum Film „Estranei alla Massa“ aus dem Jahre 2001 über die Fedayn aus Napoli, der gleichzeitig darüber hinaus dem Leser eine ganze Menge an Hintergrundinformationen über die einzelnen Protagonisten gibt. Einen roten Faden sucht der Leser hingegen vergeblich im Heft. Der ist aber auch nicht unbedingt notwendig, denn nahezu alle Geschichten sind absolut lesenswert. So finde ich mittedrin einen Südamerika-Report vom Teamchef von 1997. Auch damals schon die Warnung bei San Lorenzo aufzupassen. „Total umgeben von Slums. Abendspiele unbedingt nur mit dem Taxi anfahren, sehr gefährlich.“

Die #10 wurde übrigens zur Doppelausgabe, weil Grubers Druckerei bei Anfragen über 80 Seiten abwinkt.  Insgesamt bekommt ihr für 4,20€ 104 Seiten (Cover farbig, Rest s/w) keinen literarischen Hochgenuss, aber ein Fanzine, das mit sehr viel Liebe zum Detail produziert wurde und  zu dem ich nur meine absolute Empfehlung aussprechen kann. Kontakt: gruberjosef@gmx.net

MGR

Mittwoch, 30. September 2015

Der Kompass

Herausgeber: Einzelpersonen (Halle/Saale)
Erscheinungsdatum: Juli 2015
Seiten: 120
Preis: 3,50 €




"Der Kompass" beerbte das Hallenser Groundhopping-Fanzine "Ground und Boden", im Vorwort wird von ein "paar Meinungsverschiedenheiten und sich immer weiter auseinander diverdierende grundlegende Vorstellungen was das Thema Fanzines anbelangten" als Grund dafür genannt, den Reset-Knopf zu drücken. Ein richtiger Neustart war's in meinen Augen zwar nicht, was aber auch nicht schlimm ist. Nach meinem Empfinden hat sich nicht viel geändert im Vergleich zur letzten Ausgabe des "Ground und Boden". Hauptsächlich schreiben ja Ververka und Kev - das war vorher auch so. Neuzugang Dani ist in meinen Augen eher keine große Bereicherung.

Das Layout finde ich leicht verbessert, die Idee mit dem zweibündigen Blocksatz erleichtert den Lesefluss (man verrutscht seltener in Zeilen) und die in vielen Fanzines üblichen und gut gemeinten Hintergrundbilder wurden zum Glück sehr dezent gehalten (mit der Partizan-Kurve im Hintergrund) - meiner Meinung braucht's sowas aber auch gar nicht. Die Fotos wurden ansonsten weitestgehend mit Bedacht und Qualität eingebaut, etwa die schöne, kleine Hütte von Sant Andreu unten über zwei Seiten, das hervorragende Ernst-Grube-Stadion in Riesa oder auch die Felswand im Kantrida. Auch so eine "Wurst-Collage" über ne Doppelseite finde ich wie immer ganz amüsant, auch wenn sich Essens-Bilder in schwarz-weiß leider nicht so gut machen.

Die Spielauswahl ist auch okay, viel Osteuropa, aber auch Italien, Spanien und Inland. Nur der Schreibstil ist leider nicht mein Fall, manchmal wird etwas zu floskelhaft und teilweise zu umständlich oder zäh hantiert, bspw. bei der ja eigentlich recht normal wirkenden Umquartierung von einem ins andere Hostel in Barcelona.

Mitunter aber auch gute Ansichten, die ich ebenso vertrete: Etwa die Kritik, wenn Groundhopper wegen ein paar gesparter Euros in die Heim- oder Gästekurve rennen. Oder aber das Bemängeln am Innenraum-Fetisch einiger Hopper. Oder die Tatsache, dass es eben nicht überall so piekfein ist, wie in der Heimat und man die Unterschiede und Andersartigkeit der Leute im Ausland schätzen sollte – würde sonst ja auch echt langweilig werden irgendwann… Positiv find ich ebenfalls, dass fast immer die Bier- und Eintrittspreise dokumentiert werden. Ist nicht unerheblich, um nicht zu sagen: Es sind ja doch schon teilweise gewaltige Unterschiede.

Etwas zu oft wurde die "m"- mit der "n"-Taste verwechselt, ansonsten mäkel ich nicht über Rechtschreib- oder Grammatikfehler. Die schleichen sich immer irgendwo ein und gehören irgendwo ja auch zu Fanzines ;) Insgesamt ein solider "Neustart", für mich ist die alte Linie unverkennbar, um nicht zu sagen, die Unterschiede zum "GuB" halten sich echt in Grenzen. Zu den Top-Zines des Landes ist es aber noch ein weiter Weg.

STS

Mittwoch, 16. September 2015

Saarboteur 6+7


Herausgeber: Einzelpersonen (Saarbrücken)
Erscheinungsdatum: Juli 2015
Seiten: 132
Preis: 4 €


Zu einem meiner "Must-Haves" zählt nach wie vor der Saarboteur, der etwa ein Dreivierteljahr nach der von mir schon gelobten Nummer fünf in der Sommerpause 2015 durch die Druckerwalzen lief.
132 Seiten sind natürlich sehr stabil (im wahrsten Sinne des Wortes, gute Heftung), ich hatte aber vermutet, dass sich in zwei Jahren sogar noch mehr an Output anstaut. Macht aber überhaupt nichts, denn so hat's genau die richtige Größe, wobei ich persönlich den Sinn von Doppelausgaben nicht so recht verstehe.

Hin und wieder merkt man bzw. es wird ja direkt erwähnt, dass die Berichte teilweise schon länger zurückliegen, mitunter fast zwei Jahre, und die Autoren teils echt im Gedächtnis wühlen müssen. Das kann auf Dauer manchmal etwas abturnend sein, ist aber in den meisten fällen ganz elegant gelöst worden.

Wie immer wird aber eine gute Mischung aus allen Himmelsrichtungen serviert, vor allem Marokko fand ich gut, wobei es schon interessant ist, wie der Schreiber nahezu jedes einzelne Liedtitel aus den Kurven dokumentiert.
Auch Australien/Neuseeland hat mir echt gefallen, obwohl ich wohl zu den wenigen in meinem Alter gehöre, die in diese Region keine Reiseabsichten hegen. Naja, nach den Erzählungen von den Kurven von Melbourne Victory und Western Sydney ja vielleicht doch ;) Landschaftlich muss es auch top sein, aber das kann man ja nicht anhaltend so gut schriftlich rüberbringen. Die Fotos, insbesondere das auf der Rückseite von den Twelve Apostles, sind allerdings schon verlockend...

Schön auch die Synonyme von Hauptschreiber Ray, dem schon ein ganz eigener Stil attestiert werden kann, ist jedenfalls alles andere als ne lasche Schreibe. Stichwort: "Erzwungenes Fünf-gegen-fünf vom Punkt" für's Elfmeterschießen. Auch die Katalonien-Reise, der Party-Urlaub in Dalmatien, Einwürfe wie Herne, Sursee mit dem Stadion Schlottermilch (!) (by the way: im aktuellen Schnitzer #10 gibt's einen Eishockeybericht aus der benachbarten Halle), Zwigge-FCM oder auch Dänemark passen ins Konzept. Natürlich las ich mit Neugier auch den Bericht vom Werder-Spiel in Nürnberg. Wir werden ja oft dafür belächelt, dass es so viele Gruppen gibt oder die Stimmung nicht immer brachial ist, aber dass eintönige Singen des Bundesliga-Standards hab ich über uns dann doch schon länger nicht mehr gelesen. Vielleicht hat der Autor aber ja doch Recht...

Ehrlich auch die Worte zur eigenen Kurve, die FCS-Awaymatches fließen nach wie vor ins Heft ein. Man merkt, dass da der sportliche Abstieg leider sehr aufs Gemüt drückt, lese ich auch in ähnlicher Weise bei den FCN-Berichten im Daggl hier und da raus. Insgesamt wieder ein sehr gutes Heft, hat Spaß gemacht und ich erwarte sehnlichst die nächste Ausgabe. Am Ball bleiben!

STS

Freitag, 28. August 2015

Doppelrad 01/2015

Herausgeber: Ultraszene Mainz
Erscheinungsdatum: März 2015
Seiten: 116
Preis: 6 €

Das Mainzer Doppelrad im neuen Gewand. Nach längerer Auszeit bringt auch die Ultraszene Mainz (USM) wieder ein Gruppenheft auf den Markt. Ab dieser Ausgabe im A4-Format auf 116 farbigen Seiten. Auf eine fortlaufende Nummerierung der Hefte wird verzichtet. Stattdessen geben die Rheinhessen im Stile eines Magazins nur Monat und Jahr zur Einordnung an. Benannt ist die Kladde nach dem bekannten Mainzer Rad, welches auch im Stadtwappen deutlich zu erkennen ist.

Wo wir gerade beim Rad sind: Man muss es ja nicht komplett neu erfinden, aber ein paar kleine Innovationen hätte ich mir durchaus gewünscht, um auf dem "Gruppenhefte-in-A4-Format"-Markt ein Zeichen zu setzen. Um den Platzhirschen Ya Basta (Ultras Nürnberg), Stöffche (Ultras Frankfurt) und Stoccarda (Commando Cannstatt) ein wenig Paroli zu bieten.

Das ist aber leider auch das Problem von vielen Gruppenheften. Sie sind austauschbar. Spielberichte, Fotos und Rubriken (Unsere Freunde, unsere Stadt, unsere Kurve usw.) findet ihr heutzutage in jedem Gruppenheft. Die einzige Möglichke
it: Man muss sich mit guten Geschichten von der Masse abheben. Das schaffen die Mainzer nur bedingt. Die Geschichte der Freundschaft mit Iraklis ist zwar interessant und gut erzählt, hingegen herrscht bei den Spielberichten eher Eintönigkeit. Ein weiterer positiver Ausreißer ist der Bericht von der Europapokal-Tour nach Tripoli, nach der für die Mainzer wieder einmal Endstation war. Ergo: Keine Europapokal, keine Touren, keine Geschichten. Wenn ein Gruppenheft nur vom Ligaalltag leben muss, ist es nicht einfach für den neutralen Leser ein aufregendes Werk zu schaffen. Positiv zu erwähnen ist aber noch die schöne Bebilderung der Artikel.

Wer sich für die Mainzer Kurve interessiert, kann hier ruhig zugreifen, auch wenn die aufgerufenen sechs Euro für 116 Seiten etwas happig sind. Wobei das Pendant von den Kollegen der Handkäsmafia ebenfalls ne Stange Geld kostet. Vielleicht gibt es in Mainz und Umgebung auch keine günstigen Druckereien. Möglich wär es. ;-)